Udo Zimmermann arbeitet als Kirchenmusiker in der Pfarrei St. Peter und Paul in Zürich.
«Ich bin in meiner Pfarrei zuständig für die gesamte Kirchenmusik, also Orgel und Chor. Meine 100%-Anstellung als Kirchenmusiker ist in der Schweiz ziemlich aussergewöhnlich, in der Mehrzahl der Pfarreien macht die Kirchenmusik nur ein Teilzeitpensum aus. Bei uns ist der Kantorendienst sehr wichtig: Wir haben das Glück, vier Mal pro Wochenende eine Kantorin oder einen Kantor in der Messe zu haben. Zum Teil sind das Studentinnen und Studenten der Zürcher Hochschule, andere haben eine Kantorenausbildung der Hochschule Luzern Musik und ein Diplom in Kirchenmusik C. Der Aufbau dieses Kantorendienstes, ein sehr wichtiger Dienst in der Liturgie, ist ziemlich zeitaufwendig.
Vielschichtiger und fordernder Arbeitsalltag
Mein Arbeitsalltag ist sehr vielschichtig, aber auch sehr fordernd: Ich arbeite sechs Tage in der Woche und habe jeweils am Freitag frei, zusätzlich ein freies Wochenende pro Monat. Pro Woche bin ich in acht Gottesdiensten engagiert. Hinzu kommen am Montag Proben des Kinder- und des Kirchenchors sowie die Chorprobe des Vokalensembles. Der Dienstag ist der Tag des Mittagsgebets, daneben erledige ich Büroarbeit und stelle zum Beispiel die Unterlagen für die Kantoren oder die Noten für den Chor zusammen oder suche und buche Solistinnen und Solisten, überlege mir einen musikalisch roten Faden für die Liturgie. Und so geht das weiter durch die Woche. Was bei diesem reich befrachteten Kalender manchmal leider etwas zu kurz kommt, ist das eigene Üben.
Zur Kirchenmusik kam ich recht zufällig. Ich war in meiner Jugend Ministrant, und die Orgel hatte mich schon immer fasziniert. Dann begann ich als Autodidakt mit dem Klavierspiel, nahm dann Unterricht und spielte in ersten Gottesdiensten. So bin ich reingerutscht. Mein Klavierlehrer fand, die Ausbildung zum Kirchenmusiker C sei doch etwas für mich. Die Ausbildung gefiel mir dann so gut, dass ich das B-Diplom anhängte, den heutigen Bachelor. Nach zwei Jahren Berufstätigkeit in Deutschland erwarb ich in Frankfurt schliesslich auch das A-Diplom, den Master.
Die Ausbildungsgänge in Deutschland und in der Schweiz sind sehr ähnlich, aber nicht gleich. In der Schweiz studiert man in einem Hauptfach und einem Nebenfach, in Deutschland gibt es diese Unterteilung nicht, man studiert mehrere Fächer gleichwertig nebeneinander, dadurch ist alles etwas breiter gefächert, andererseits fehlt die Vertiefung, die ein Hauptfach ermöglicht.
In die Schweiz kam ich eigentlich als klassischer Arbeitsmigrant: Nach der Jahrtausendwende war der Arbeitsmarkt in Deutschland recht schwierig. Als Kirchenmusiker musstest du in 7 bis 8 Pfarreien arbeiten und hattest vielleicht 15 Orgeldienste, das kann recht mühsam sein. Also suchte ich auch in der Schweiz und fand schliesslich eine Stelle bei den Solothurner Singknaben und als Kirchenmusiker in Emmenbrücke.
Vollwertiges Mitglied des Pfarreiteams
Diesen Entscheid habe ich nie bereut, und ich schätze es sehr, dass ich an meiner aktuellen Stelle ein vollwertiges Mitglied des Pfarreiteams bin. Damit verbunden sind sehr vielfältige Kontakte: Ich kenne viele Leute und habe auch mit allen Altersgruppen zu tun – vom Kinderchor über das Vokalensemble bis zum Gregorianischen Choral mit lauter Männerstimmen. Am Samstag veranstalten wir einmal im Monat ein Offenes Singen, das mit einem Gottesdienst abgeschlossen wird; da begleite ich jeweils auf dem E-Flügel.
Ich kann eine Art musikalische Seelsorge bieten und durch das Medium Musik zur Verkündigung beitragen.
In der Liturgie bin ich mitverantwortlich und kann durch die Musik auch selber gestalten, also eine Art musikalische Seelsorge bieten und durch das Medium Musik zur Verkündigung beitragen. Ich kann auch Konzerte initiieren oder selber spielen, und alles mit einer grossen Vielfalt von Stilrichtungen. Es ist wichtig, dass es ein Miteinander von Theologie und Musik gibt, dass sich daraus eine Einheit ergibt.
Wer Kirchenmusikerin oder Kirchenmusiker werden will, muss gläubig sein: Ohne Glauben keine Verkündigung. Man muss die Liturgie lieben und sie sehr gut kennen. Dann braucht es natürlich musikalische Begabung. Wichtig ist auch, dass man die Menschen liebt und auf sie zugehen kann, man muss sie akquirieren können für die Mitarbeit in der Kirche. Etwas Psychologie schadet nicht, ist man doch Ansprechperson für alles Mögliche. Und schliesslich braucht es Teamfähigkeit und ein Gespür für verschiedenste Situationen im Alltag: die richtige Musik für den richtigen Moment.
Es ist für mich eine grosse Bereicherung, in der Pfarrei Teil von etwas Grösserem zu sein: Ich erlebe die Kirche als grosse Gemeinschaft und arbeite darin für die Leute, die zu uns kommen und miteinander feiern; ihnen will ich etwas mitgeben. Zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Gläubigen. Das Miteinander von Gläubigen, dieses Miteinander-unterwegs-Sein, das gefällt mir sehr. Und ich spüre, wie sehr ich angenommen werde in meiner Funktion, das ist ein schönes Gefühl.
Künstlerische Verwirklichung als Plus
Zu den Pluspunkten meiner Arbeit gehört auch die künstlerische Verwirklichung, die bis zu einem bestimmten Grad auch eine Selbstverwirklichung ist, wenn ich zum Beispiel an Orgelkonzertreihen denke. Ich habe die Möglichkeit, die Liturgie farbig zu gestalten, und damit verbunden ist erst noch eine relativ grosse Freiheit in der Tagesgestaltung. Klar, die Chöre haben ihre Probetermine, die Gottesdienste ihre Zeiten, aber rund um diese Fixtermine bin ich sehr frei.»
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