Bartek Migacz arbeitet als Priester in der Pfarrei St. Agatha in Fislisbach.
«Bei mir dauerte es ein bisschen länger als bei anderen, bis ich Priester wurde. Obwohl es meine Erstausbildung ist.
Ich wuchs im Süden von Polen auf und hatte bereits als Kind viel mit der Kirche zu tun: Nach der Erstkommunion war ich unter anderem Ministrant und Leiter einer Jugendgruppe. Durch diese Gruppe hatte ich viel Kontakte zu den Vikaren. Ihre Arbeit hat mich schon als kleiner Junge fasziniert, als sich am Sonntag jeweils fast das ganze Dorf in der Kirche versammelte. Und vorne stand der Priester, der «Auserwählte», feierte mit und führte die Gemeinde durch den Gottesdienst.
Als Maturand verspürte ich den Wunsch, diesen Weg zu gehen. Ein Vikar riet mir, mir Zeit zu nehmen und nicht direkt nach der Matura ins Priesterseminar zu gehen. Also arbeitete ich zuerst einmal und unterstützte meine Eltern finanziell. Nach einem Jahr fing ich ein Fernstudium in Wirtschaft an, da mich Zahlen auch immer fasziniert hatten. Am Schluss des zweiten Semesters wurde aber der Ruf, Priester zu werden, immer grösser.
Polen – Schweiz einfach
2007 wurde ich ans Priesterseminar in der ostpolnischen Stadt Lublin aufgenommen. Der Regens, der einst als Pfarrer in der Schweiz arbeitete und noch Kontakte in die Schweiz hatte, rief mich noch vor Studienbeginn an und fragte, ob ich gleich im ersten Jahr ein Austauschjahr in der Schweiz machen wolle. Ich wollte.
Erst als ich in Luzern ankam, wurde mir bewusst, dass ich hier Theologie nur auf Deutsch studieren kann, nicht auf Englisch. Ich konnte aber kein Deutsch. Also musste ich zuerst ein Jahr in die Sprachschule. Nach einem Jahr sollte ich wieder nach Polen zurück. Aber das war schade – jetzt, wo ich Deutsch konnte. Mein Regens in Polen sagte, ich sollte noch ein weiteres Jahr in der Schweiz bleiben. Ich konnte das Einführungsjahr für Priesteramtskandidaten in Chur machen. Mit der Einwilligung des Regens in Polen durfte ich ein weiteres Jahr in der Schweiz bleiben – mein erstes offizielles Studienjahr.
In meinem Beruf ist jeder Tag anders. Und das ist zu schön, als dass ich das jemals aufgeben möchte. Der damalige Regens Thomas Ruckstuhl fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, fürs Bistum Basel zu studieren. Dafür brauchte ich aber wiederum die Einwilligung des polnischen Regens. Er riet mir dazu, in der Schweiz zu bleiben. Auch weil der Priestermangel hier grösser ist als in Polen.
Ab dem zweiten Studienjahr habe ich mich offiziell als Bistumsstudent und Priesteramtskandidat fürs Bistum Basel angemeldet. 2014 schloss ich das Studium in Luzern mit Mastertitel ab und arbeitete danach drei Jahre in der Aargauer Gemeinde Berikon. 2016 wurde ich zum Priester geweiht.
Der Umgang mit Emotionen kann schwierig sein
Als Priester gleicht kein Tag dem anderen. Ich führe Seelsorgegespräche, organisiere Elternabende, führe Krankenkommunionen durch, bereite die Predigten vor – alles, was halt so dazugehört. Ein Viertel meines Pensums bin ich für die polnisch-sprachige Seelsorge im Kanton Aargau zuständig, das sind rund 4000 Katholikinnen und Katholiken. In den Gottesdienst kommen jeden Sonntag 300 bis 400 Polinnen und Polen.
An meinem Beruf gefällt mir vor allem die Vielfalt, es wird nie langweilig. Und dass man so viele Kontakte knüpfen kann, über alle Generationen hinweg. Von der Taufe über Firmungen und Hochzeiten bis zu Besuchen im Altersheim und Beerdigungen: Ich bin ein Teil der Gemeinde und teile die Sorgen und Freude der Menschen, respektive sie teilen sie mit mir.
Kein anderer Beruf bietet einem so viele Möglichkeiten, mit Menschen in Kontakt zu treten. Es kommt vor, dass ich an einem Tag ein Taufgespräch habe und dann gerade danach ein Trauergespräch. Es ist manchmal schwierig, mit den Emotionen zurechtzukommen. Mit den einen freut man sich, mit den anderen trauert man. Aber das ist auch nicht jeden Tag so. Normalerweise kann man die verschiedenen Gespräche gut aneinander vorbeiplanen.
In meinem Beruf muss man offen sein für Begegnungen. Als Priester lebt man zwar im Zölibat, aber bei der Arbeit kommt man mit vielen Menschen zusammen. Deshalb ist es auch ganz wichtig, ein Teamplayer zu sein. Nicht jemand, der immer selbst gerne bestimmt, sondern mitentscheidet. Man sollte auch die Meinungen der anderen hören und gemeinsam die Entscheidungen treffen.
Priester statt Profitänzer
Was mich dazu bewegt, Priester zu sein? Dass ich in diesem Beruf in besonderer Art und Weise das Evangelium Jesu Christi verkünden darf. Dass man als Priester nicht nur durch das Wort, sondern auch durch das eigene Leben den Mitmenschen zeigen kann, dass man keinen Heiligenschein braucht, um Christus nachzufolgen. Dass jeder die Möglichkeiten in sich hat, die es dazu braucht. Als Priester gibt man den Menschen gewisse Hinweise, damit sie das erkennen. Jeder Mensch entscheidet aber für sich selbst, in welcher Weise er Christus nachfolgen will.
Als Priester bin ich ein Teil der Gemeinde und teile die Sorgen und Freude der Menschen, respektive sie teilen sie mit mir. Ob man Priester wird, hängt natürlich auch davon ab, ob man sich für diese Aufgabe berufen fühlt. Wenn man diese Stimme nicht in sich hat, ist es schwierig, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Ich habe kürzlich mit drei Jugendlichen gesprochen, die unentschlossen waren. Sie hatten zwar Lust, den Glauben näher kennenzulernen und an dessen Wurzeln zu gehen, hatten gleichzeitig aber auch Angst vor der Entscheidung, sich so langfristig zu binden. Bei diesem Beruf darf man sich nicht von der Annahme blenden lassen, dass man einen sicheren Job bis ans Lebensende hat. Wenn man den Beruf vor allem aus solchen Gründen ergreift, ist man als Priester ziemlich schnell ausgebrannt.
Als Jugendlicher wollte ich unbedingt Profitänzer werden. Mich haben lateinamerikanische Tänze fasziniert. Jetzt tanze ich halt in der Freizeit: Inzwischen bin ich auf polnische Volkstänze umgestiegen.
Auch wenn ich mir immer auch einen Beruf in der Privatwirtschaft vorstellen konnte: einer Arbeit mit fixen Arbeitszeiten nachzugehen, acht Stunden am Schreibtisch zu sitzen und jeden Tag das Gleiche zu tun, reizt mich überhaupt nicht mehr. Als Priester ist jeder Tag anders. Und das ist zu schön, als dass ich das aufgeben möchte.»
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