Marek Slaby arbeitet als Diakon in der Pfarrei St. Niklaus in Hombrechtikon und Gefängnisseelsorger.
«Ich habe immer mit Leidenschaft Fussball gespielt und wollte eigentlich Fussballprofi werden. Aber das war nicht mein Weg – nicht nur wegen meiner zahlreichen Knieverletzungen. Denn neben dem Sport hat mich auch immer das Existenzielle angezogen.
Ich wuchs in Polen, in der Nähe von Krakau, auf. Meine Grossmutter war sehr religiös und strahlte Weisheit aus. Das hat mich schon als Kind geprägt. Ich war fasziniert von der Suche nach Antworten, nach dem Dasein. Ab dem 17. Lebensjahr engagierte ich mich stark für die Taizé-Gemeinschaft. Die Spiritualität, Mystik und die Beziehung zu Gott, die ich da während der europäischen Treffen erlebte, sind für mich heute noch essenziell.
Nach dem Gymnasium nahm ich in Warschau ein Theologie-Studium auf. Dort hatten wir unter anderem Unterricht in Kunst, Psychologie und Philosophie. Die Auseinandersetzung mit dem Dasein, die Entwicklung von Denksystemen, das Leben aus verschiedenen Perspektiven zu sehen hat mich von Anfang an sehr fasziniert. Ich habe gemerkt, wie ich aufblühe und, anders als an der Schule früher, plötzlich gerne lerne. Das war genial.
Danach liess ich mich zusätzlich in der Transaktionsanalyse ausbilden. Im dritten Studienjahr erfuhr ich aber eine Sinnkrise und fuhr nach in England, wo ich in die Sprachschule ging und in einem christlichen Hotel arbeitete. In England lernte ich meine Schweizer Frau kennen. Nach Jahren der Fernbeziehung entschied ich mich 1999, in die Schweiz zu ziehen.
Soziale Analyse der Schweiz
Nachdem ich etwas Deutsch gelernt hatte, fand ich eine Stelle bei der Post als Briefträger. Intellektuell hat mich die Arbeit nicht sonderlich gefordert, aber es war eine spannende soziale Analyse meiner neuen Heimat. 2001 fand ich dann endlich eine Stelle in der Pfarrei Hombrechtikon, wo ich heute noch als Diakon arbeite.
Seit 2008 arbeite ich auch als Gefängnisseelsorger. Ich finde es bereichernd, Menschen in verschiedenen Existenzsituationen zu begleiten, mit ihnen unterwegs zu sein und nach lebendigen Aspekten zu suchen – ob durch Psychologie, das Gebet, die Bibel oder einfache Beratung. In meiner Arbeit ist es wichtig, nicht gleich zu definieren und analysieren, sondern zuzuhören und zu fragen, was der andere braucht. Und dann ein Stück Weg mit ihm zu gehen.
Mit Menschen zu arbeiten ist faszinierend und vielseitig, denn jede und jeder ist einzigartig. Immer in einem dynamischen Prozess zu sein, das gefällt mir. In meinem Beruf kann ich den Menschen Sorge tragen und hin- und herwechseln zwischen begleitenden und heilenden Aspekten, die jede und jeder braucht. Die Menschen suchen stets nach dem Lebendigen, auch in ihrem Schmerz. Und das macht es für mich besonders spannend, für die Kirche zu arbeiten. Denn sie unterstützt die Suche, egal in welcher Form.
Die unregelmässigen Arbeitszeiten als Seelsorger sind nicht immer praktisch, vor allem wenn man eine Familie hat. Jetzt, wo meine zwei Mädchen 10 und 12 Jahre alt und selbstständiger sind, ist es einfacher. Dafür bietet mir mein Beruf unter der Woche aber auch eine gewisse Flexibilität. Ich bin kein Mensch, der gerne im Büro sitzt, ich gehe lieber einer praktischen Arbeit nach.
Schönes Wiedersehen mit Jungen
Wenn wir als Seelsorger gute Arbeit machen, leisten ist wir einen wichtigen Beitrag zur Beziehung zur Kirche. Wenn die Menschen auf eigene gute Erfahrungen zurückgreifen können und nicht nur auf Medienberichte über Skandale, dann haben sie auch ein anderes Verhältnis zur Kirche. Das ist besonders spannend in der Arbeit mit Jugendlichen. Sie treffen ganz klare Entscheidungen, wofür sie Zeit investieren wollen. Ihnen dabei Lust und Hunger nach mehr zu machen, das ist für mich ein wichtiger Prozess – damit sie ihren eigenen Weg weiter gehen können. Ich finde es besonders schön, wenn sie später dann mit eigenen Kindern kommen, die ich wieder taufen kann.
Die Kirche trägt zum Wachstum der Menschen bei: Wenn ich einen jungen Menschen nach ein paar Jahren wiedersehe, – egal, ob ich ihn von meiner Arbeit im Gefängnis oder von der Pfarrei kenne – und es geht ihm gut und er hat gesunde Beziehungen, er entwickelt sich, dann ist der Wachstumsprozess in Bewegung. Und es ist schön, ihn ein Stück auf diesem dynamischen Weg begleitet zu haben.
Fussballspielen als Ausgleich
Wer einen Beruf in der Kirche wählt, braucht eine gewisse Achtsamkeit und eine feine Wahrnehmung des Gegenübers. Er sollte gerne mit Menschen unterwegs sein. Ebenso wichtig sind Offenheit und die Fähigkeit, nicht vorschnell zu urteilen. Wer schwarz-weiss denkt, ist meiner Meinung nach in der Kirche am falschen Platz.
In diesem Beruf ist man oft in einer schmerzhaften, schwierigen Realität unterwegs. Die dauernde Konfrontation mit menschlichem Schicksal ist anstrengend. Da ist ein Ausgleich, der einen erdet, wichtig. Zum Beispiel eine Familie oder in meinem Fall auch das Fussballspielen, das ich immer noch liebe und heute in meiner Freizeit betreibe.
Ich staune immer wieder, wie viel ich in meinem Beruf lerne. Denn Seelsorge funktioniert auf beide Seiten: Es gibt kein Mensch, der mir nicht etwas schenken kann, egal, in welcher Lebenssituation.
Der Mensch ist ein unglaubliches Geheimnis: Ich habe extrem viel über ihn gelernt in den letzten zwanzig Jahren. Aber ich merke auch, dass ich immer weniger über ihn weiss.»
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